Der Wiener Walzer, der schnellste Tanz des Welttanzprogramms
Geschichte
Der Standardtanz Wiener Walzer ist eine Variante des Tanzes Walzer, des ältesten der modernen bürgerlichen Gesellschaftstänze. Zur Unterscheidung von anderen Arten des Walzers wie Langsamer Walzer und Französischer Walzer wird er als Wiener Walzer bezeichnet. Die Geschichte des Wiener Walzers beginnt mit seiner erstmaligen Erwähnung 1797 in Breslau, wobei das „walzen“ im Sinne „von sich drehen“ wesentlich älteren Datums ist. Der Begriff Wiener Walzer wurde in Wien selbst 1807 erstmals verwendet.
Insbesondere der Linkswalzer war zunächst wegen Unzüchtigkeit, vor allem wegen der innigen Berührung der Paare, in sogenannten „besseren Kreisen“ verpönt. Beliebtheit gewann er durch den Wiener Kongress 1814/15.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts stand der Walzer in der Wiener Operette stets im Zentrum. Er wurde ursprünglich sehr schnell getanzt und erfuhr erst im Lauf des beginnenden 20. Jahrhunderts die heutige „schwebende“ Form. In den 1910er Jahren begann in Deutschland aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und internationaler Einflüsse ein „Walzersterben“. Modernere und dynamischere Tanzformen aus Übersee setzten sich durch. Der ehemalige kaiserlich- und königliche (k u k)-Offizier Karl von Mirkowitsch machte den Wiener Walzer nach dem Ersten Weltkrieg wieder gesellschafts- und turnierfähig, indem er den Stil änderte.
Seit 1932 tanzt man den Wiener Walzer auf Turnieren. Der Nürnberger Tanzlehrer Paul Krebs (1915–2010) verband 1951 die altösterreichische Walzertradition mit dem englischen Stil. Bei dem Tanzfestival in Blackpool im gleichen Jahr feierte er große Erfolge. Seitdem ist der Wiener Walzer als gleichberechtigter Standardtanz anerkannt, in das Welttanzprogramm wurde er 1963 aufgenommen.
Am 3. November 2017 wurde der Wiener Walzer in die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen.
Charakteristik
Da sich das Paar schnell im Raum fortbewegt, entspricht die Bewegung eines Partners einer verkürzten Radkurve. Daher wird beim sich vorwärts bewegenden Teil eine große Strecke (aktiver Teil) und beim rückwärtigen Teil eine viel geringere Strecke zurückgelegt (passiver Teil). Herr und Dame wechseln sich ständig mit diesen Teilen ab.
Rhythmus
Der Wiener Walzer basiert auf dem 3/4-Takt, wobei ein Grundschritt aus sechs Schritten besteht und somit zwei volle Takte umfasst. Alternativ kann der Wiener Walzer auch auf einen 6/8-Takt getanzt werden, dann umfasst der Grundschritt genau einen Takt. Auf Bällen und Turnieren wird traditionell auf klassische Musik getanzt, es gibt allerdings auch modernere Stücke der Rock- und Popmusik, die einen geeigneten Rhythmus bieten (z. B. Dean Martin: That’s amore). Der Wiener Walzer ist mit 58-60 Takten / Minute doppelt so schnell wie der Langsame Walzer.
Technik
Die Technik des Wiener Walzers entsprang zunächst der Ballett-Technik, hat sich aber im Laufe der Zeit stark verändert und ist heute – wie bei allen Standardtänzen – sehr anspruchsvoll. Die hohe Geschwindigkeit und die ständige Drehbewegung machen den Walzer zu einem sehr anstrengenden Tanz. Wie für nichtstationäre Tänze des Welttanzprogramms üblich, bewegt sich das Tanzpaar beim Wiener Walzer entgegen dem Uhrzeigersinn um die Tanzfläche herum.
Im Gegensatz zum Langsamen Walzer findet kaum Heben im Fuß statt, der sechste Schritt im Natural oder Reverse Turn erfolgt aber immer flach. Vielmehr strecken sich der Körper und die Beine entsprechend. Trotzdem bleiben die Knie jederzeit flexibel.
Wissenswertes
Der Wiener Walzer wird als einer der fünf Standardtänze weltweit auf Standardturnieren der höheren Startklassen getanzt, bei Turnieren des Deutschen Tanzsportverbands ab der B-Klasse, in Österreich ab der D-Klasse. Des Weiteren nimmt er eine Sonderstellung auf Bällen ein. Ein Walzer ist auf vielen Hochzeiten der traditionelle Tanz des Brautpaares (Hochzeitswalzer).
Es gibt heute weltweit zwei verschiedene Arten des Wiener Walzers, namentlich den Internationalen und den Amerikanischen Stil, von denen der Letztere hauptsächlich in den USA verbreitet ist. Während im modernen Turniergeschehen weltweit der Internationale Wiener Walzer ausschlaggebend ist, wird zum Beispiel bei Formations- und Schaudarbietungen auch in Deutschland gerne auf das breitere Figurenspektrum des Amerikanischen Wiener Walzers zurückgegriffen.
Als offiziell zugelassene Turnierfiguren des Internationalen Stils gelten lediglich die Rechtdrehung, die Linksdrehung und der geschlossene Wechsel. Das Rechts-und Linksfleckerl sowie Contra Check, Linker Wischer und Pivot Turns sind zwar verbreitete Variationen, aber nur erlaubt, wenn keine Figurenbeschränkung gilt. Der Amerikanische Stil beinhaltet darüber hinaus zum Beispiel auch offene Figuren außerhalb der gewöhnlichen Tanzhaltung.